Donnerstag, 26. September 2013

Was ist wichtiger: Inhalt oder Verpackung?


Noch nie gab’s soviel Salz wie heute! Feinschmecker schwören auf „Fleur du sel“, das in fein gebrochenen Kristallen daherkommt und aus der obersten Schicht von maritimen Salzgärten stammt. Esoteriker stehen eher auf Himalayasalz, das eine leicht rosige Färbung hat. Dann gibt es schwarzes Salz aus Hawaii, dem Kohle die Farbe gibt. Murray Salz aus Australien und überhaupt Salze aus jeder Ecke der Welt. Und in jeder möglichen Mischung mit Gewürzen, Kräuter, Blüten.
Für die Sendung „Markt“ machte ich einen Salzcheck. Eigentlich weiß ich ja: neben den Mineralstoffen Natrium und Chlorid sind alle anderen Minerale höchstens in homöopathischen Dosen enthalten. Letzten Endes stammt auch Steinsalz aus dem Urmeer. Und da wir ohnehin nicht mehr als 10 g Salz pro Tag essen sollten – das meiste ist in Brot, Käse und Aufschnitt enthalten – kann das nichts bringen. Ich gehe also ganz nüchtern an den Salztest. Und verliebe mich sofort in ein betörend türkises Fleur du Sel-Töpfchen von einer beliebten spanischen Insel. Fast höre ich bei seinem Anblick das Meer rauschen, das Näpfchen fühlt sich köstlich kühl und glatt an – es gibt sogar einen kleinen Porzellanlöffel. O Luxus, oh Urlaub, oh Salzglück. Was stört da der Preis, gut 250mal höher als bei schlichtem Jodsalz? Träume sind nun mal unbezahlbar!
Wir machen mit Passanten den Blindtest. Und was kommt raus? Dass Salz salzig schmeckt. Egal ob rosa, schwarz oder aus dem edlen türkisen Töpfchen. Des Kaisers neue Kleider!
Aber ist das wirklich wichtig? Schließlich esse ich das Traumsalz nicht, um Natriumchlorid zu mir zu nehmen. Sondern um einen Moment den Geschmack von Meeresrauschen auf der Zunge zu spüren. Natürlich ist das Einbildung. Aber auch ein Genuss – denn wir schmecken nicht nur mit Nase und Zunge – auch die Augen  essen mit und die Filme, die im Kopf ablaufen, spielen ebenfalls eine Rolle. Sonst hätte Proust nie sein "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" geschrieben.
Ganz nüchtern betrachtet erfüllt fluoridiertes Jodsalz am besten seinen Zweck. Denn die Jodversorgung hat sich nach den neuesten Zahlen wirklich verschlechtert. Aber was ist gegen ein paar durchgeknallte Körnchen Sonntagssalz, Träume inklusiv, zu sagen?  Sie brauchen ja nicht den ganzen Gesundheitskram zu glauben, der da erzählt wird. Klar ist das Luxus und keinesfalls notwendig. Einfach das Meer rauschen hören und ein paar Körnchen genießen. Was will man mehr?
http://www.ndr.de/ratgeber/verbraucher/lebensmittel/salz179.html